Alles wird gut

Bernadette La Hengst

  • Thomas Blum
  • Lesedauer: 2 Min.

Ist Popmusik, die sich nicht rundum einverstanden zeigt mit den gesellschaftlichen Verhältnissen oder gar verändernd eingreifen will oder dergleichen Putziges, nicht hoffnungslos von gestern und spätestens seit 1968 mausetot? Gibt nicht das Bild, das sich beispielsweise bei einem raschen Blick auf die Laufbahn der Rolling Stones zeigt (von einigermaßen libertär gesonnenen Rock ’n’ Roll-Revoluzzern zu Lakaien des Volkswagen-Konzerns), nahezu idealtypisch die gesamte traurige Geschichte der abendländischen Popmusik wieder? Und dudelt heute im Rewe-Supermarkt nebenan etwa nicht »I can’t get no satisfaction« als Einkaufsbegleitmusik in Dauerschleife? Hat der Kapitalismus nicht schon lange auf allen Ebenen gesiegt? Gibt es noch Hoffnung?

Die Songschreiberin und Sängerin Bernadette La Hengst jedenfalls, bekannt durch die in den 90er Jahren aktive Band Die Braut haut ins Auge, scheint sich noch nicht vollständig von der Idee verabschiedet zu haben, mit Pop linke Inhalte zu transportieren. »Gib mir die Hoffnung, oho, Hoffnung zurück / Auf Liebe, auf Glück / Erlösung von allem / Was uns gefangen hält / Im Heute, im Jetzt / Auf ein richtiges Leben in einer verkehrten Welt.«

Bernadette La Hengst hat - finanziert per Crowdfunding - das Album gemacht, das man von ihr erwartete, sich für die Form des linken Agit-Schlagers und für ein entspanntes Eine-andere-Welt-ist-möglich-Songwritertum entschieden. Der Kampf für eine gerechtere Weltordnung, die Weigerung, jeden Scheiß mitzumachen, verpackt in manchmal ein bisschen arg pathetische Popsongs. Hier wird mal die Ein-bisschen-Frieden-Akustikgitarre herausgeholt, da finden wir eine Spur Neo-Soul, dort ein paar flotte Disco-Streicher. Aber was soll’s? Hier sprechen die Guten: »Nicht produzieren, sondern teilen / Die Zeit verlieren und länger verweilen / Anstatt verkaufen lieber verschenken / Wir haben Freunde anstatt nur Klienten« singt La Hengst auf dem Titeltrack der Platte. Da ist alles drin: Protest gegen den Zwang zur permanenten Selbstoptimierung, gegen die totale Durchökonomisierung des Lebens, der Appell zu sozialem Miteinander statt Egoismus, zu Hedonismus und Lebensgenuss statt stumpfsinnigem Wirtschaftswachstum. Alles schön und gut. Wird aber wohl vorerst nicht zu machen sein, fürchte ich.

(Was viele Linke nicht begreifen: Was ein Musikstück fortschrittlich und im besten Fall politisch wirksam macht, ist stets seine Form, nicht der durch sie vermittelte Inhalt. Aber bis das verstanden wird, dürften locker noch ein paar Jahrhunderte vergehen. Doch es gibt Hoffnung. Wie singt La Hengsts musikalisch-politischer Weggefährte Knarf Rellöm so schön im Schlusstrack? »Wir können es nur nicht sehen, weil es ist viel zu schnell, aber / Alles wird immer besser!«)

Bernadette La Hengst: »Save The World With This Melody« (Trikont)

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